Die drei Tage von Glengyle

oder wieviele unterschiedliche Whiskies von einer Destillerie kann man innerhalb dieser Zeit verkosten?

Die Geschichte beginnt vor über 20 Jahren, als offizielle Behörden, zuständig für die Regeln in der Whiskywelt in Schottland, angekündigt hatten, Campbeltown den Status einer Whiskyregion zu entziehen. Nur zwei Destillerien, Springbank und Glen Scotia, würden den Anspruch auf eine eigene Region nicht rechtfertigen. Und überhaupt, könnte man diese Beiden doch leicht in die Region Lowlands eingliedern.

Die Schockstarre dürfte – wenn überhaupt – nur Sekunden gedauert haben, und  beim damaligen Chairman von J&A Mitchell, sind die Behörden letztendlich auf Granit bzw. auf Glengyle gestoßen. Hedley G. Wright, nicht gerade bekannt für seine Geduld oder sein Nachgeben in Diskussionen, präsentierte damals kurzerhand seine Pläne für eine dritte Destillerie in Campbeltown, was nach offizieller Lesart ausreichte, die eigene Whiskyregion zu erhalten. 

Nach nur 4 Jahren Planung und Bauzeit, floss 2004 der erste Whisky aus dem Spirit Still der Glengyle Destillerie. Da die Namensrechte dafür bereits vergeben und nicht zu bekommen waren, wurde der neue Whisky kurzerhand Kilkerran, nach dem alten Namen für Campbeltown, benannt – nach Ansicht aller Destilleriemitarbeiter heute ohnehin die bessere Wahl.

Auch wenn es damals zumindest teilweise darum ging, den eigenen Willen durchzusetzen, gaben die Erfolge in der Produktion und im Internationalen Absatz der Idee recht. Nach 20 Jahren ist Kilkerran eine etablierte Marke und darf heuer sein entsprechendes Jubiläum feiern.

Eingeladen sind alle Mitarbeiter, lokale und regionale Partnerfirmen sowie die wichtigsten Importeure aus Europa. Darunter natürlich das PotStill und damit indirekt auch das IWCA als Kunde.

Das vereinbarte Treffen am Flughafen Glasgow war für die österreichische Gruppe flugbedingt etwas verspätet erfolgt, die zügige Fahrt nach Campbeltown ermöglichte dennoch ein pünktliches Erscheinen im “formal dress” zum Galadinner um 19:00 in der Victoria Hall. Bunt gemischt, jeweils 10 Personen an einem Tisch, entwickelten sich aus den sonst üblichen Smalltalks bald spannende Fachgespräche. Beflügelt von den etwa 15 unterschiedlichen Kilkerran-Abfüllungen, die zur Essensbegleitung nach Wunsch ausgeschenkt wurden, ließ es sich herrlich über Geschmacksnuancen diskutieren. 

Glengyle Dinner - Whiskyliste
Glengyle Dinner – Whiskyliste

Nacheinander stellten der Vertriebsdirektor die Geschichte Kilkerrans und dann die Finanzchefin alle anwesenden  Mitarbeiter vor.  Es sind übrigens meist die gleichen Personen, die drei Monate im Jahr für Kilkerran und die übrige Zeit für Springbank arbeiten.

Zum Dessert unterhielt ein Brass-Quintett, das eindrucksvolle ABBA-Medleys zum Besten gab. Um 23:00 wurde die Bar geschlossen und wir nutzten die Chance auf ein paar Stunden Schlaf.

Am Samstag ist nach dem Frühstück noch etwas Zeit, die Stadt zu besichtigen. Im Hafen liegen einige wenige Segelyachten, und nur einzelne davon scheinen benützt zu werden. Sonst sind es überwiegend recht betagte Fischerboote, die den Hafen füllen. Es fällt auf, dass es den sonst oft üblichen Supermarkt im Zentrum nicht gibt, aber dafür noch richtige Einzelhändler ihre Waren anbieten. Das Fischgeschäft ist gleich neben dem Fleischer und gegenüber werden Blumen verkauft. Um die Ecke gibt es ein Süsswaren- neben einem Modegeschäft und einige Meter weiter wird die Schokolade produziert und verkauft, die heuer auch die Oskar-Gewinner bekommen hatten. Einige Hotels und Pubs zeigen, dass die Whiskytouristen regelmässig kommen. So idyllisch es aussieht, kann es doch nicht darüber hinwegtäuschen, dass immer weniger Menschen in Campbeltown leben und nur die Whiskyindustrie einige junge Leute hier halten kann. 

Wir treffen uns noch am Vormittag zu einer Führung durch die Destillerie, die ja am gleichen Gelände anschließend zur Springbank Anlage gebaut worden war. Dabei sind die alten Glengyle-Gebäude perfekt integriert worden.  Viele der benötigten Anlagen wurden gebraucht erworben, so z.B. eine fast fünfzigjährige Boby Mühle oder die beiden Kupfer–Brennblasen, die vorher als Spirit-Stills in der Speyside im Einsatz waren.

Computergesteuerte Elektronik sucht man vergebens, hier wird Whisky noch von Menschen gemacht, wie Fiona McFadyen, unser heutiger Tourguide und sonst Sales Manager bei Glengyle, lächelnd betont. Ganz neu ist die Baustelle für die neue Abfüllanlage. Der Hund mit dem Kilkerran-Halstuch gehört zwar nicht zu Destillerie, sondern zu einen Whisky-Shop in Aberdeen und weiß sich in Szene zu setzen. Neue Süßwein-Fässer lassen spannende neue Geschmacksrichtungen erwarten.

Im Lager, einem klassischen Dunnage Warehouse, liegen ältere und junge Fässer durcheinander, jedenfalls konnten wir kein zugrundeliegendes System erkennen. Das ist auch der Ort, an dem wir gleich noch ein spezielles Warehouse-Tasting bekommen. 

Von unserem Favoriten haben wir dann auch gleich eine Flasche für eine Verkostung im Club einpacken lassen:

Nach einer Erholungspause am Nachmittag trafen wir uns wieder in der Destillerie zu einer Pre-Party, bei der es natürlich wieder Whisky, aber auch Gin, Wein und Bier gab. In einem Zelt war ein großes Buffet aufgebaut worden, das keine Wünsche offen ließ.

Bei dieser Gelegenheit konnten wir einige Worte mit einem alten Bekannten wechseln. Paul Dempsey, der bei uns vor Jahren Spey Whisky präsentiert hatte, war gekommen, da sein Arbeitsplatz bald ganz in der Nähe liegt. Die Witchburn-Distillery wird noch heuer im Herbst mit der Produktion beginnen, wie er uns erzählt und wir sind schon sehr gespannt.

Gestärkt vom Buffet pilgern wir schließlich alle zurück in den Hafen von Campbeltown, in die Victoria Hall. Gänzlich befreit von der Deko des letzten Abends erwarten wir ein Konzert der Sonderklasse: Fl!ng als Vorgruppe zur Vorgruppe bringt einen Querschnitt durch die Popgeschichte, wobei auch hier ein leichter Hang zu Abba festzustellen ist. Für uns schon ein richtiger Höhepunkt sind die Red Hot Chili Pipers – eine volle Stunde mit drei Piper, zwei Drummer, zwei Bläsern, Gitarre, Bass, Keyboard und einer Sängerin. Ein Mix aus Folk-Rock, klassisch-schottischen Songs und dazu ein AC/DC Medley – ganz große Show.

Dann der Leading Act TRAVIS, der mit seinem großen Hit „Sing“ startete und im Laufe der nächsten Stunde das Publikum begeisterte.

Am Sonntag ging es für uns zurück nach Glasgow, mit einer kurzen Kaffee-/Kuchenpause im Inveraray Castle. Für alle die noch bleiben konnten, wurde ab Mittag in der Destillerie noch ein Barbeque geboten. Die drei Tage von Glengyle waren ein Fest, würdig eines solchen Jubiläums. Ah ja, und was die eingangs gestellte Frage betrifft: es waren 25 unterschiedliche Kilkerran-Drams…

One Reply to “Die drei Tage von Glengyle”

  1. Cooles Event. Schon allein die Fotos zeigen die Einzigartigkeit. Kilkerran hatte ich jetzt gar nicht so am Schirm.